#solidaritywithoutborders

Erste Hilfe nach Polizeigewalt an der EU-Außengrenze in Bosnien

Trigger-Warnung: Dieser Blogeintrag berichtet von Polizeigewalt.

Am 15. Mai 2022 erreicht uns, dem Blindspots-Team in Bosnien, am frühen Morgen eine Nachricht:

„We are deported, 19 people, we need water and food, clothes, we need doctor. Police take everything.“

Wenige Minuten später erreichen wir den Busbahnhof nahe der bosnisch-kroatischen Grenze, wo die Menschen auf uns warten. Versteckt im Schatten der LKWs erzählen sie uns von den Geschehnissen der letzten Nacht und dem Pushback der kroatischen Polizei. Manche der Menschen sind schwer verletzt. Sie zeigen uns ihre Kopfverletzung und geschwollene Gesichter, verursacht durch die Schläge der Polizei. Durch das kilometerlange Laufen durch den „Jungle“[1] bei starkem Regen sind die Füße der Menschen verletzt und aufgequollen. Jeden Schritt stelle ich mir enorm schmerzhaft vor, als ich die Wunden desinfiziere und abbinde. Ein junger Mann erzählt mir währenddessen, dass es sein 17. Tag im Jungle war, um die Grenze zu Slowenien zu erreichen. In den letzten Tagen hatten sie weder Essen noch Trinken und keine Möglichkeit, um mit ihren Angehörigen in Kontakt zu sein. Die Angst vor wilden Tieren und Schlaflosigkeit begleitete sie konstant.

Polizeigewalt durch kroatische Beamte

Bei dem Versuch, eine Brücke in der Nähe von Zagreb zu überqueren, wurde die Gruppe von der Polizei entdeckt. Unter ihnen sind auch einige Minderjährige. Die Polizei schoss dabei mehrfach in die Luft, nahm ihnen persönliche Gegenstände wie Schlafsäcke und Geld weg und zerstörte teils ihre Handys. Die Menschen wurden von den Polizeibeamt:innen gezwungen sich auszuziehen und sich anschließend nackt auf den Boden zu legen. Dann wurden sie mit Schlagstöcken verletzt, ihre Körper wurden abgetastet und beleuchtet. Einige Polizist:innen machten dabei Aufnahmen mit ihren Handys. Anschließend durften sie sich die Menschen wieder anziehen und wurden über mehrere Stunden in überhitzten und schlecht belüfteten Bussen abtransportiert, bis sich manche von ihnen übergeben mussten. Die Polizist:innen setzen die Menschen an zwei verschiedenen Orten im Grenzgebiet aus, traten ihnen in den Rücken und verabschiedeten sie mit den Worten „Go Bosnia“. Es dauerte weitere vier Stunden zu Fuß, bis sie den Busbahnhof erreichten.

Systematische Grenzgewalt

Einige der schwerverletzten Personen erzählen, dass sie nach Sarajevo wollen, um dort in einem Camp unterzukommen, bis die Wunden verheilt sind. Andere möchten im bosnischen Grenzgebiet Una-Sana bleiben, um bald einen erneuten EU-Grenzübertritt zu versuchen.

Noch immer sitzen wir versteckt zwischen den LKWs, ab und an blicke ich auf, um zu sehen, ob möglicherweise die Polizei kommt. People on the move sind besonders schwer von rassistisch motivierten Polizeikontrollen und Polizeigewalt betroffen.   Zudem ist unsere Arbeit illegalisiert, weil wir People on the Move unterstützen.

Diese Erzählung ist nur eine von vielen im Verlauf der letzten Wochen. Nur über einen marginalen Bruchteil der Fälle wird berichtet.  Es ist klar, dass es sich bei den Pushbacks nicht um Einzelfälle handelt, sondern um eine politische Strategie – mit Unterstützung der EU und der Mitgliedstaaten.

Wir fordern die EU auf, das grausame Grenzregime zu beenden und sichere Übergänge in die EU zu schaffen!

#noborders

#freedomofmovement


[1] „Jungle“ ist eine selbstgewählte Bezeichnung für den Wald im Grenzgebiet, der auf dem Weg in die EU durchquert wird.

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