Vor einigen Wochen erklärte die bosnische Regierung ein ganzes grenznahes Dorf zu einer militärischen Sperrzone*. Im Dorf leben nebst wenigen Bosnier:innen ca. 150 People on the Move (PoM), darunter viele Kinder und Frauen. Die unmittelbarer Nähe zur EU-Außengrenze verspricht bessere Chancen, um unbemerkt über die Grenze zu kommen, doch die polizeiliche Abschottung des Dorfes schafft zusätzliche Schwierigkeiten. Die fehlende medizinische Versorgung ist eine davon.
Durch das Zutrittsverbot für unterstützende Organisationen sind die dort lebenden Menschen fast komplett von jeglicher medizinischen Versorgung abgeschnitten. Insbesondere vulnerable Personen wie Kinder, Menschen mit chronischen Krankheiten und schwangere Frauen sind davon betroffen. Für sie kann die jetzige Situation lebensbedrohlich werden.
Nach den kräftezehrenden und oftmals in gewalttätigen Push-Backs endenden Grenzübertrittsversuchen kommen die Menschen physisch und psychisch erschöpft – manchmal auch schwer verletzt – nach Bosnien zurück. Nur über Soziale Netzwerke können sie mit Ärzt:innen kommunizieren. Allerdings zerstört die kroatische Polizei systematisch bei jedem Push-Back die Handys der PoM, wodurch die so wichtige Kommunikation zu Hilfsorganisationen zusätzlich erschwert wird.
Kälte als zusätzliche Erschwernis
Aufgrund des Kälteeinbruchs Anfang April hat sich der Gesundheitszustand vieler PoM stark verschlechtert. Sie leben in Ruinen ohne Ofen oder sogar in Zelten, wodurch sie der Kälte besonders erbarmungslos ausgesetzt sind. Viele Menschen haben nun mit Erkältungssymptomen, insbesondere Fieber, Halsschmerzen und Husten zu kämpfen.
Ein weiteres häufig auftretendes medizinisches Problem sind Zahnbeschwerden. Mangelnde Hygiene, verschmutztes Wasser und die allgemein schwierigen Lebensumstände führen zu massiven Zahnproblemen und starken Schmerzen. Hoffnung auf eine angemessene Zahnbehandlung gibt es im Dorf nicht – somit sind Schmerzmittel die einzige “Lösung”. Über Monate hinweg müssen Menschen immer stärkere Schmerzmittel nehmen, um die Schmerzen ertragen zu können.
Menschen mit chronischen psychischen oder physischen Krankheiten gehen immer wieder ihre überlebenswichtigen Medikamente aus. Oftmals werden diese auch bei polizeilichen Räumungen oder Push-Backs systematisch abgenommen und entsorgt. Neue Medikamente können nur schwer besorgt werden und müssten normalerweise unter genauer ärztlicher Kontrolle verabreicht werden, was in der jetzigen Situation jedoch unmöglich ist.
Solange die Sperrzone von den bosnischen Behörden rechtswidrig aufrechterhalten wird, bleibt eine adäquate medizinische Versorgung für die Menschen in der Grenzregion unmöglich.
*Militärische Sperrzone: Hierbei handelt es sich um ein Grenzgebiet, welches zur militärischen Zone erklärt wurde. Das heißt, dieses Gebiet ist nur für PoM und Einheimische zu erreichen. Für alle Supportstrukturen, einschließlich eingetragene Organisationen wie IOM, ist es abgeriegelt und nicht über öffentliche Wege zugänglich.