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5 Gründe, warum Smartphones das wichtigste Hilfsmittel auf der Flucht sind

„Das sind doch Flüchtlinge, warum haben die denn so neue Smartphones?“ Diese Frage ist bescheuert, vorurteilsgeladen und strukturell rassistisch – trotzdem oder genau deswegen hier ein paar Infos über die Rolle von Handys auf der Flucht. Denn Smartphones sind so ziemlich das wichtigste Hilfsmittel, um es nach Europa zu schaffen.

1. Das Smartphone als Navi

Am Bedeutendsten ist vermutlich die Funktion als Navigationsgerät auf dem „Game“, also dem Versuch, die europäische Außengrenze zu überqueren und nicht deportiert zu werden. Der selbstgewählte Begriff spielt auf die Glücksspielähnlichkeit der Situation an, denn die Gewinnchancen sind gering. Viele haben schon dutzende Pushbacks hinter sich. Auf dem Game laufen PoM (People on the Move) meist mehrere Tage, teilweise bis zu zwei Wochen querfeldein durch Wälder, Flüsse und über Berge. Sie müssen Straßen und Ortschaften meiden, denn ein Teil der einheimischen Bevölkerung ruft die Polizei, wenn er PoM sieht. Diese bringt die Menschen in der Regel dann illegalerweise nach Bosnien zurück. Die Route zu finden und die richtige Richtung beizubehalten ist ohne Navi praktisch unmöglich.

2. Die ursprüngliche Aufgabe von Telefonen: Kommunikation

Handys dienen der Kommunikation vor Ort, aber auch um mit Familie und Freund*innen Kontakt zu halten. Die meisten Menschen sind seit Jahren unterwegs und haben ihre Familien und Freund*innen entsprechend lange nicht mehr gesehen. Aber auch für die Kommunikation mit Supportstrukturen ist ein Handy wichtig.

3. Mittel zum Zeitvertreib

Wenn man ehrlich ist, kann man beim Warten auf die nächste Bahn schon kaum auf das Handy verzichten. Auf der Flucht zieht sich das Warten häufig über Jahre. Musik hören, Filme gucken, Handyspiele spielen und Nachrichten verfolgen hilft vielen dabei, die Zeit bis zum nächsten Game zu überbrücken und die Langeweile und Beschäftigungslosigkeit zu ertragen.

Langeweile – wir kennen sie alle. Wer möchte auf Handys zum Zeitvertreib verzichten? Foto: Joshoua Rawson-Harris

4. Zugang zu Bildung

Smartphones ermöglichen den Zugang zu Bildung in einer Situation, in der der Besuch von Schulen, Universitäten und anderen Bildungseinrichtungen über Jahre hinweg verschlossen ist. Viele Kinder haben mittels YouTube und anderer Kanäle fließend Englisch gelernt.

5. Nicht zu unterschätzen: die Taschenlampenfunktion

Handys sind auch wichtig als Lichtquelle. In den allermeisten Squats gibt es keinen Strom, sodass häufig bei Handy-Taschenlampenlicht gekocht,  gegessen und zusammengesessen wird.

Ohne eine möglichst große Powerbank hilft aber das beste Handy wenig. Das Laden der Smartphones und Powerbanks in den selbstorganisierten Camps und Squats ist schwierig, da diese meistens keinen Stromanschluss haben. Glücklicherweise ist ein großer Teil der Zivilbevölkerung in Bosnien solidarisch, sodass häufig Stromanschlüsse von bosnischen Nachbar*innen genutzt werden können.

Handys dienen der Kommunikation vor Ort, aber auch um mit Familie und Freundinnen Kontakt zu halten. Die meisten Menschen sind seit Jahren unterwegs und haben ihre Familien und Freundinnen entsprechend lange nicht mehr gesehen. Aber auch für die Kommunikation mit Supportstrukturen ist ein Handy wichtig.

Auch einige Supportstrukturen laden Handys und Powerbanks auf. Die PoM können die Geräte abgeben und bekommen sie dann ein oder zwei Tage später aufgeladen wieder. Das birgt jedoch einen nicht zu unterschätzenden organisatorischen und zeitlichen Aufwand für beide Seiten und erfordert viel Vertrauen der PoM in die Supportstrukturen, dass diese ihre Sachen nicht verlieren. In einigen Squats wurden auch Solarpanels installiert, um eine rudimentäre Stromversorgung zu gewährleisten.

Bei den illegalen Pushbacks zerstört die kroatische Interventionspolizei häufig die Handys und Powerbanks. Sie weiß ganz genau, wie wichtig ein funktionierendes Smartphone fürs Game ist und will es den Menschen möglichst schwer machen, den Grenzübertritt bald wieder zu versuchen. Diese Praxis ist unglaublich frustrierend und zermürbend für die PoM: jedes erfolglose Game kostet so mehrere hundert Euro.